OLG Karlsruhe: keine spontane Anzeigepflicht

spontane anzeigepflicht?

Das  Thema spontane Anzeigepflicht hat sich nun endgültig erledigt. Die nach dem Urteil des LG Heidelberg entstandene Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, ob der Versicherungsnehmer in bestimmten Fällen auch Umstände angeben muss, nach denen der Versicherer nicht gefragt hat, gibt es nun nicht mehr. Das OLG Karlsruhe hat sich nämlich der von vielen Seiten kritisierten Rechtsauffassung des LG Heidelberg nicht angeschlossen. Ein Blick in das Urteil.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe sieht keine spontane Offenbarungspflicht für Umstände, nach denen der Versicherer nicht gefragt hat.

 

In dem Leitsatz zu dem Urteil heißt es:

"Wenn der Versicherer im Rahmen der Antragstellung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung erkennbar auf das Stellen bestimmter Gesundheitsfragen verzichtet, besteht keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, hierzu ungefragt Angaben zu machen; dies gilt auch dann, wenn die nicht erfragten Umstände erkennbar gefahrerheblich sind."

 

OLG Karlsruhe Urteil vom 20.4.2018, 12 U 156/16

 

Die Vorinstanz hatte eine solche spontane Anzeigepflicht noch angenommen und mit dieser Begründung festgestellt, dass der Versicherungsnehmer keine Ansprüche aus dem BU-Vertrag hat.

 

Dabei hatte der Versicherer dies gar nicht zur Begründung vorgetragen.

 

Anstatt dessen berief sich der Versicherer in der Vorinstanz wie auch im Berufsverfahren darauf, dass der Versicherungsnehmer die Gesundheitserklärung falsch abgegeben hatte, weil er zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Mit dieser Begründung konnte sich der Versicherer in der Berufungsinstanz auch durchsetzen.

 

Im Urteil findet sich auch noch eine hochinteressante Passage, die gerade für die BU-Aktionen mit vereinfachten Gesundheitsfragen von Bedeutung ist:

 

"Bereits vor der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes entsprach es allgemeiner
Meinung, dass es in erster Linie Sache jeder Vertragspartei ist, ihre Interessen selbst
wahrzunehmen und zu erkennen zu geben, auf die Offenbarung welcher persönlichen
Umstände ihres Vertragspartners sie Wert legt für ihre Entscheidung, sich ihm gegenüber
vertraglich zu binden. Dies galt insbesondere für Großunternehmen wie für Versicherer, die
mit den in ihren Antragsformularen gestellten Fragen an den Antragsteller zu erkennen geben,
was sie für ihre Entscheidung als wesentlich ansehen und was sie deshalb wahrheitsgemäß
und vollständig beantwortet sehen wollen. Sie mussten daher in Rechnung stellen, dass der
künftige Vertragspartner in dem Fragenkatalog grundsätzlich die Entscheidung des jeweiligen
Versicherers sieht, welche Umstände ihm für die zu treffende Entscheidung überhaupt
wissenswert erscheinen und welche nicht (BGH, Urteil vom 24. September 1986 - IVa ZR
229/84, VersR 1986, 1089 [juris Rn. 24])."

 

und weiter:

 

"Scheute sich ein Versicherer aus geschäftstaktischen Gründen, eine Frage zu stellen, deren
wahrheitsgemäße Beantwortung nach seiner Darstellung maßgeblich für seine Entscheidung
war, ob er den angetragenen Vertrag schließt, so lieferte er selbst den Beweis dafür, dass er
die unaufgeforderte Offenbarung des betreffenden Sachverhalts nicht erwarten konnte und
durfte (BGH aaO Rn. 26)"

 

Genau das ist es, was die Gemüter so erhitzt hat in der Diskussion um die spontane Anzeigepflicht:

 

Ein Versicherer bietet im Rahmen einer BU-Aktionen vereinfachten Fragen an. Bestimmte Erkrankungen werden nicht erfragt. Damit wirbt der Versicherer auch neue Kunden, wobei der Versicherer davon ausgehen muss, dass gerade Kunden, die Vorerkrankungen haben, Interesse an solchen Aktionen zeigen.

 

Im Leistungsfall beanstandet der Versicherer aber, dass bestimmte Erkrankungen nach denen der Versicherer (auch aus werblichen Gründen) bewusst nicht gefragt hat, nicht angegeben wurden.

 

Wie kann das sein?

 

Das vorstehende Zitat aus dem Urteil spricht genau diesen Widerspruch an und stellt klar, dass der Versicherer, wenn er nach bestimmten Erkrankungen nicht fragt, damit gerade beweist, dass der Versicherungsnehmer diese nicht erfragten Umstände nicht mitteilen muss.

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