Besser spät als nie. Bereits Ende Oktober 2017 hatten wir die Nürnberger angeschrieben mit der Bitte um eine Stellungnahme zur Problematik der "spontanen Anzeigepflicht". Dort hat man sich lange Zeit gelassen für eine Stellungnahme. Vielleicht wollte man die Berufungsverhandlung am OLG Karlsruhe abwarten, die nun aber vom Januar in den März verschoben wurde? Egal, nun liegt die Stellungnahme der Nürnberger vom 18.1.2018 vor.
„Spontane Anzeigepflicht“ - Einschätzung und Vorgehen
Kurz und bündig:
Eine mögliche „spontane Anzeigepflicht“ bei Anträgen mit vereinfachten Risiko-/Gesundheitsfragen wird aktuell in vielen Medien und von zahlreichen Vermittlern diskutiert. Die NÜRNBERGER hat sich mit diesen rechtlichen Fragen beschäftigt und bezieht eine klare Position.
Was war geschehen
Am 8.11.2016 hatte das Landgericht Heidelberg (LG Heidelberg vom 8.11.2016, 2 O 90/16) erstinstanzlich über die Anfechtung eines Antrags auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit vereinfachten
Gesundheitsfragen zu
entscheiden. In diesem Fall hatte ein Versicherungsnehmer, der an fortgeschrittener
Multipler Sklerose litt, am 25.03.2010 einen Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt. Der Versicherungsnehmer war bereits seit dem 31.05.2005 (also gut 5 Jahre vor der
Antragsstellung) als schwerbe-
hindert im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung eingestuft worden.
Die einzige Antragsfrage des Versicherers lautete:
"Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus
(Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder
behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.“
Als der Versicherungsnehmer am 30.08.2012 Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machte, verweigerte der Versicherer die Leistung.
Er argumentierte, dass die Multiple Sklerose Erkrankung, losgelöst vom Wortlaut der Antragsfrage, aufgrund ihrer Schwere trotzdem angabepflichtig gewesen wäre. Das Verschweigen sei dadurch eine
arglistige Täuschung des
Kunden. Das LG Heidelberg folgte dieser Argumentation und gab dem Versicherer Recht.
Dieses Urteil sorgte in den letzten Monaten zu einem verstärkten Medienecho und erzeugte Unsicherheit zur Regulierungspraxis bei Anträgen mit vereinfachter Risiko-/Gesundheitsprüfung.
Positionierung der NÜRNBERGER
Vor allem im bAV-Gruppengeschäft verzichten wir je nach angebotenem Modell zum Vorteil unserer Kunden auf die sonst üblichen Gesundheitsfragen.
Der Kunde gibt stattdessen eine sog. Dienstobliegenheitserklärung (DOE) ab; daneben stellen wir nur Risikofragen zum Tätigkeitsbild und zum Rauchverhalten.
Wir beschränken in diesen Fällen unsere Risikoprüfung auf die in der DOE und den Risikofragen genannten Umstände. Andere Umstände sanktionieren wir selbst im Falle der Arglist nicht - entgegen
der u. E. abzulehnenden
Rechtsauffassung des LG Heidelberg vom 08.11.2016 (2 O 90/16). Dies gilt analog auch für die Fälle, in denen wir aus anderen Gründen einen Antrag mit verkürzten Risiko-/Gesundheitsfragen
anbieten.
Ausgenommen sind nur absolute Ausnahmefälle, die in unserer Regulierungspraxis allerdings noch keine Rolle gespielt haben (völlig außergewöhnliche und fernliegende Umstände, siehe OLG Hamm,
Beschluss vom 27.02.2015,
20 U 26/15; OLG Celle, Urteil vom 09.11.2015, 8 U 10/15).
Anfechtungsrecht kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden
In einigen Medien wird neben einer Positionierung auch gefordert, dass die Versicherer für diese Fälle bereits im Voraus auf ihr Recht der Anfechtung verzichten sollen.
Ein im Voraus vereinbarter Ausschluss des Anfechtungsrechts aus § 123 Abs. 1 BGB ist nach unserer Überzeugung jedoch unwirksam und damit auch irreführend, weil nach Ansicht des BGH (BGH, Beschluss vom 21.09.2011,
IV ZR 38/09) dem Täuschenden ermöglicht werden würde, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrages befürchten zu müssen und ein arglistig Täuschender den Schutz der Rechtsordnung
nicht verdient hat. Außerdem hätten unsere redlichen Kunden keinen Mehrwert davon, sondern im Gegenteil. Deren Überschussbeteiligung könnte beeinträchtigt werden.
Fazit
Die „spontane Anzeigepflicht“ sorgt aktuell für sehr viel Unsicherheit bei Vermittlern und Kunden. Grundsätzlich sollte in dieser Frage die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet
werden, da es aus unserer Sicht
nicht überraschend wäre, wenn die Berufungsinstanzen zu einem kundenfreundlicheren Ergebnis kommen. Um Unsicherheiten zu vermeiden hat sich die NÜRNBERGER bezüglich ihrer zukünftigen Regulierung
klar positioniert.