Zu der spontanen Anzeigepflicht, so wie diese das LG Heidelberg verstanden wissen will, äußerte sich in einer Stellungnahme nun auch der Versicherer Barmenia.
Das sagt die Barmenia zur spontanen Anzeigepflicht
"Was wird unter "spontaner Anzeigepflicht" verstanden.
In Fällen, bei denen der Versicherer nach Gefahrumständen nicht ausdrücklich in Textform gemäß § 126 b BGB
gefragt hat, soll ggf. noch ein Anfechtungsrecht des Versicherers gemäß § 22 VVG i. V. m. § 123 BGB
in Frage kommen, so die wohl herrschende Meinung unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung
zum VVG.
Eine Offenbarungspflicht des Versicherungsnehmers hinsichtlich nicht abgefragter Gefahrumstände
im Rahmen der Arglistprüfung soll sich aus § 242 BGB ableiten, jedenfalls bei "auf der Hand
liegender" Gefahrerheblichkeit. Allerdings ist festzuhalten, dass eine Anfechtung nach aktuellem Recht
umstritten ist, wenn ein Umstand nicht ausdrücklich abgefragt wurde. Dem gegenüber steht aber die herrschende Meinung der Rechtsprechung (s. o.). Beweisbelastet für die einzelnen Voraussetzungen der Arglist ist der Versicherer.
Was genau unter "auf der Hand liegender" Gefahrerheblichkeit zu verstehen ist, lässt sich nicht abschließend und für alle Fallgestaltungen darstellen, da es sich dabei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt. Beispielhaft wird in Kommentierungen zum VVG etwa das Verschweigen von schweren oder chronischen Erkrankungen genannt.
Anders ausgedrückt: Es muss sich dem Versicherungsnehmer also ohne eine entsprechende Antragsfrage geradezu aufdrängen, dass ein Umstand für den Versicherer gefahrerheblich ist.
Aus den hier aufgeführten Darstellungen wird erkennbar, dass die sog. "spontane Anzeigepflicht" ein ganz besonderes Rechtsmittel darstellt. Auch die Barmenia wird sich grundsätzlich die Möglichkeit offenhalten, im Einzelfall dieses Mittel einzusetzen , um gegen unberechtigte Leistungsansprüche im Einzelfall vorgehen zu können. Allerdings ist ebenso deutlich festzuhalten, dass an eine mögliche Anwendung hohe Hürden gestellt sind. Im Ergebnis wird die Anwendung aus heutiger Sicht sicher eher eine Randnotiz bleiben."
Anmerkung: Hervorhebungen wurden von uns vorgenommen.
Der Wortlaut unserer Anfrage an die Barmenia
"In den Medien wird gerade das Thema "spontane Anzeigepflicht" mit Bezug auf das Urteil des LG Heidelberg Urteil vom 8.11.2016, 2 O 90/16 diskutiert.
siehe etwa https://www.pfefferminzia.de/zankapfel-spontane-anzeigepflicht-makler-helberg-nimmt-bu-versicherer-in-die-pflicht/ und https://www.pfefferminzia.de/spontane-anzeigepflicht-wo-bleiben-die-reaktionen-der-versicherer/
Dabei geht es darum, dass nach dem Rechtsinstitut "Treu und Glauben" eine Offenbarungspflicht für solche Gefahrumstände angenommen wird, hinsichtlich derer der Vertragspartner redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Das gelte auch für solche Umstände, die nicht vom Fragekatalog des Versicherers erfasst sind.
In dem vom LG Heidelberg zu entscheidenden Fall hatte der Versicherer vereinfachte Fragen zum Gesundheitszustand gestellt. Der Versicherungsnehmer ist an MS erkrankt. Der Fragekatalog des Versicherers umfasste die Erkrankung nicht. Trotzdem hat der Versicherer den Vertrag angefochten gem. § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB. Das LG Heidelberg entschied zugunsten des Versicherers.
Für uns ist es wichtig zu wissen, wie die Barmenia Lebensversicherung zu dieser Thematik steht. Aus unserer Sicht darf ein Versicherungskunde, der eine BUV abschliesst, davon ausgehen, dass nur diejenigen Gefahrumstände anzugeben sind, nach denen der Versicherer fragt. So ist es in § 19 VVG geregelt, auch die Regelungen in Ihren Versicherungsbedingungen formulieren es so und auch aus den Belehrungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht im Antragsformular ergibt sich nichts anderes.
Für den Versicherungskunden gibt es daher keinen Anlass, zu glauben, er müsse über den Fragekatalog hinaus gehende Angaben zum Gesundheitszustand machen auch wenn es sich dabei um schwere Erkrankungen handelt mit einem erhöhten Risiko berufsunfähig zu werden. Dazu gehören auch Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Diabetes, psychische Erkrankungen (Depression etc.), die eindeutig mit einem erhöhten BU-Risiko verbunden sind.
Der Versicherungsmakler Helberg berichtet aber nun von Fällen, bei denen Versicherer den Vertrag mit Bezug auf das LG Heidelberg angefochten haben. Weitere Versicherer erklärten gegenüber Helberg, sie würden in einem ähnlichen Fall den Vertrag auch anfechten.
Wir halten es für ein unfaires Verhalten gegenüber dem Versicherungskunden, ein Versicherungsprodukt mit "vereinfachter Gesundheitsprüfung" oder sogar "ohne Gesundheitsfragen" zu bewerben und so den Eindruck zu erwecken, auch Personen mit schwereren Erkrankungen seien versicherbar, im Leistungsfall sich dann aber auf das Rechtsinstitut der "spontanen Anzeigepflicht" und "Treu und Glauben" zu berufen.
Als Makler stehen wir auch hinsichtlich der "spontanen Anzeigepflicht" in der Haftung.
Wir bitten Sie daher um Ihre Stellungnahme."
Update 15.11.2017:
Stellungnahmen liegen bis heute von diesen Versicherern vor: