Zu der "spontanen Anzeigepflicht" nimmt nun auch die LV 1871 Stellung. Die Stellungsnahme geben wir hier im Wortlaut wieder. Im Ergebnis distanziert sich die LV 1871 von dem Urteil des LG Heidelberg. Es bestehe keine spontane Anzeigepflicht für Umstände, welche die LV 1871 bei einer vollständigen Gesundheitserklärung abgefragt hätte. Ein Anfechtungsrecht bestehe in solchen Fällen nicht.
Spontane Anzeigepflicht in der Berufsunfähigkeitsversicherung
1. Vorvertragliche Anzeigepflicht bei verkürzten Gesundheitsfragen
2. Rechtsauffassung der LV 1871
Das Landgerichts Heidelberg hat am 8. November 2016 entschieden, dass eine Erkrankung
dem Versicherer auch dann angezeigt werden muss, wenn nicht ausdrücklich danach
gefragt wurde. Es ging um eine Versicherung mit vereinfachter Gesundheitsprüfung. Die
versicherte Person litt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits unter MS. Nach
Auffassung des Gerichts hätte dies dem Versicherer „spontan“ angezeigt werden müssen.
Das Berufungsverfahren ist derzeit vor dem OLG Karlsruhe anhängig.
Das Urteil hat nun zu Verunsicherung bei unseren Geschäftspartnern geführt. Es wird
befürchtet, dass Verträge im Leistungsfall angefochten werden, für die beim Abschluss auf
eine ausführliche Gesundheitsprüfung verzichtet wurde.
Rechtslage
Es ist gesetzlich geregelt, dass der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages
verpflichtet ist, die vom Versicherer in Textform gestellten Fragen zu beantworten
(Paragraf 19 Abs. 1 VVG).
Eine darüber hinausgehende Anzeigepflicht kommt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
nur dann in Betracht, wenn es sich um außergewöhnliche und besonders wesentliche
Informationen handelt, die für jedermann erkennbar das Aufklärungsinteresse des
Versicherers in ganz elementarer Weise betreffen (BGH 19.05.2011, Az. IV ZR 254/10).
Daran knüpft das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 27.02.2015 (Az. 20 U 26/15) an.
Danach setzt eine spontane Anzeigepflicht voraus, dass es sich um Gefahrumstände
handelt, die so selten und fernliegend sind, dass dem Versicherer nicht vorzuwerfen ist, sie
nicht abgefragt zu haben.
Fazit
Auf der Grundlage der derzeitigen Rechtsprechung gilt somit für unser Haus:
Wenn keine oder nur eine eingeschränkte Gesundheitserklärung abzugeben war, besteht
keine spontane Anzeigepflicht für Umstände, die wir bei einer vollständigen
Gesundheitserklärung abgefragt hätten. Ein Anfechtungsrecht besteht daher in solchen
Fällen nicht.
Nachtrag vom 27.10.2017 zu "LV 1871 - Stellungnahme zur spontanen Anzeigepflicht"
Zu der oben veröffentlichen Stellungnahme haben wir bei der LV 1871 noch einmal nachgefragt.
Unsere Frage an die LV 1871
"Wäre die LV 1871 denn auch bereit, zukünftigen Kunden dahingehend Rechtssicherheit zu geben, dass bis zur Klärung der Rechtslage hinsichtlich der spontanen Anzeigepflicht ein Verzicht auf den Einwand der spontanen Anzeigepflichtverletzung in den Versicherungsbedingungen oder als Individualvereinbarung (unter besondere Vereinbarungen) vereinbart wird? Wäre aus Sicht der LV 1871 alternativ oder zusätzlich eine Änderungen der Belehrung zur vorvertraglichen Anzeigepflicht im Antragsformular denkbar?
Es ist damit zu rechnen, dass in Kürze auch Anbieter von Analysetools wie Levelnine den Verzicht auf den Einwand der spontanen Anzeigepflichtverletzung als Qualitätsmerkmal aufnehmen. Eine gute aber letztlich rechtlich nicht verbindliche Stellungnahme wird künftig vermutlich nicht ausreichend sein um das Qualitätskriterium "Verzicht auf den Einwand der spontanen Anzeigepflichtverletzung" zu erfüllen".
Antwort der LV 1871
"Bei der Vertriebsinformation handelt es sich natürlich um eine verbindliche Veröffentlichung unseres Hauses. Die bestehende Verunsicherung wurde durch eine landesgerichtliche Entscheidung verursacht, die keine Rechtskraft erlangt hat. Vor diesem Hintergrund sehen wir derzeit keinen Anlass dafür, eine vom Gesetzestext abweichende Regelung in die Versicherungsbedingungen aufzunehmen."
Update 15.11.2017:
Stellungnahmen liegen bis heute von diesen Versicherern vor: