Der Bundesgerichtshof hatte einen interessanten Fall zu entscheiden, in dem es mal wieder um die Ablehnung des Leistungsanspruches aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung durch den Versicherer wegen einer vermeintlichen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers ging. Was war passiert?
2010 schloss ein Mann über einen Versicherungsvertreter 2 Berufsunfähigkeitsversicherungen ab, eine davon ist eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu einer Rentenversicherung. Der
Versicherungsvertreter ist ein Bekannter des Versicherungsnehmers. Im Antragsformular kreuzt der Versicherungsvertreter alle Fragen zum Gesundheitszustand mit Nein an. Unter der weiteren
Erklaerung des Versicherungsnehmers im Antrag, in der bestaetigt werden soll, dass in den letzten 5 Jahren kein Arztbesuch stattgefunden macht der Versicherungsvertreter
das Kreuz bei "ja, ich habe keine Ärzte aufgesucht". Im Juli 2011 beansprucht der Versicherungsnehmer Leistungen aus der Berufsunfähigkeitversicherung, insgesamt 1.300 EUR monatliche
Berufsunfähigkeitsrente. Die Versicherungsgesellschaft hat den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Entgegen den Angaben im Antrag hatte der Versicherte eine ganze Reihe von Beschwerden und Arztbesuchen, die im Antrag haetten angegeben werden müssen:
Nach den Feststellungen der Vorinstanz hatte der Kläger [Versicherungsnehmer] bereits 1999 eine Bandscheibenprotrusion erlitten, in den fünf Jahren vor Antragstellung insgesamt zehnmal seine Hausärztin wegen Rückenbeschwerden aufgesucht und sich allein in den letzten sieben Monaten vor Antragstellung fünfmal in ärztliche Behandlung begeben, davon dreimal wegen Rückenbeschwerden.
Bereits Ende 2008 war es zu einer Facharztüberweisung, einer Krankschreibung und ärztlichen Behandlungen, unter anderem Infiltrationsbehandlungen im Rückenbereich, gekommen.
Im Januar 2010 hatte eine Notfallbehandlung des Klägers in einem Krankenhaus stattgefunden. Etwa drei Monate vor Antragstellung war er wegen Lumboischialgie an Fachärzte überwiesen und für zwei Wochen krankgeschrieben worden.
Am 1. Februar 2010 hatte auch eine computertomographische Untersuchung stattgefunden. Unter dem 24. Februar 2010 hatte die Hausärztin des Klägers eine "Lumboischialgie durch Bandscheibenschaden, Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden" dokumentiert. Dem Kläger waren schmerz- und entzündungshemmende Medikamente verordnet worden.
In dem gerichtlichen Verfahren in den Vorinstanzen behauptete der Klaeger [Versicherungsnehmer], er habe dem mit ihm bekannten Versicherungsvertreter auf entsprechende Fragen erklärt zu haben, er sei wegen Rückenschmerzen in Behandlung gewesen, allerdings sei bei den Untersuchungen nichts herausgekommen, die Ärzte hätten ihn wie einen Simulanten behandelt. Die Entscheidung, ob die Gesundheitsfragen in den Anträgen mit "ja" oder "nein" beantwortet worden seien, habe der Versicherungsvertreter getroffen.
Der Versicherungsvertreter wurde als Zeuge vernommen und sagte aus, es sei ihm bekannt gewesen, dass der Kläger wegen Rückenschmerzen ärztlich untersucht worden sei. Er habe den Kläger deshalb gefragt, ob etwas dabei herausgekommen sei, was der Kläger verneint habe, wobei er sich sogar noch aufgeregt habe, weil sein Arzt ihn als Simulanten hingestellt habe.
In die Formulare habe er dies nicht aufgenommen, weil er nichts mehr versichern würde, wenn er das in jedem Fall machte. Soweit er wisse, habe der Kläger nichts verschrieben und auch keine Behandlung bekommen, es sei nichts gewesen, deshalb sei der Kläger in seinen Augen gesund gewesen.
Die Vorinstanzen hatten der Versicherungsgesellschaft Recht gegeben. Der Bundesgerichthof sieht das nun alles etwas anders.
In seinem Beschluss verweist der BGH nochmals auf die staendige Rechtssprechung und das sogenannte "Auge-und-Ohr"-Prinzip:
Danach steht der empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller bildlich
gesprochen als das Auge und
Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (ständige Rechtsprechung,
Senatsurteile [...]. Hat der Agent etwas, was ihm der Antragsteller auf die Fragen wahrheitsgemäß mündlich mitgeteilt hat, nicht in das
Antragsformular aufgenommen, so hat der Antragsteller seine Anzeigeobliegenheit gleichwohl gegenüber dem Versicherer erfüllt (Senatsurteile vom 24. November 2010 aaO; vom 18. Dezember
1991 - IV ZR 299/90, BGHZ 116, 387, 389).
Den vollstaendigen Beschluss des Bundesgerichtshofes koennen Sie hier nachlesen: BGH IV ZR 508/14.
Fazit
Auch wenn es in diesem Fall ein halbwegs gutes Ende fuer den Versicherten geben mag: Besser waere es, wenn es gar nicht erst zu einem Rechtsstreit mit der Versicherungsgesellschaft kommt. Deshalb ist die korrekte Beantwortung der Risikofragen im Antrag so wichtig. Hierzu sollte vor Antragstellung die Gesundheitshistorie aufgearbeitet werden. Oftmals ist das aus dem Gedaechtnis nur schwer oder gar nicht moeglich. Deshalb sollte man die Krankenakten bei den behandelnden Aerzten anfordern. Auch von der Krankenkasse oder der privaten Krankenversicherung kann man Unterlagen ueber die Gesundheitshistorie anfordern, die fuer die korrekte Beantwortung der Gesundheitsfragen hilfreich sein. Wenn Angaben zum Gesundheitszustand zu machen sind, besser eine Risikovoranfrage zur Abklaerung der Versichererbarkeit stellen lassen, als gleich einen Antrag beim Versicherer zu stellen.
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