Wenn ich mir mal überlege, wann ich das letzte Mal einen Handwerker zur Berufsunfähigkeitsversicherung beraten habe, dann muss ich sagen, es ist schon eine Weile her. Und wenn ich mir unsere Kundendatenbank anschaue, stelle ich fest, dass wir sehr viele Akademiker mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung im Bestand haben, aber sehr viel weniger Kunden, die „nur“ Abitur und Berufsausbildung haben und nur einige wenige mit Berufen, die man als „schlechte Risiken“ bezeichnet (z.B. Maurer, Schlosser und andere Berufe mit hohem Anteil körperlicher Tätigkeit). Die letzte Kundin, die nicht in die beiden besten Berufsgruppen der Versicherer einzuordnen war, ist als Altenpflegerin tätig - die Kundin haben wir vor drei Monaten beraten. Seit dem hatten wir nur Akademiker in der Beratung: IT-Berater, Student der Medizin, Fachwirtin Steuerverwaltung, Unternehmensberater, Chefarzt usw.
Woran liegt das? Für uns kann ich diese Frage sehr einfach beantworten: wir erhalten überwiegend Anfragen von Kunden mit akademischem Hintergrund. Und wenn wir einen Kunden beraten, der eine Tätigkeit mit hohem körperlichen Anteil ausübt, dann müssen wir oft feststellen, dass ein guter und bezahlbarer BU-Schutz nicht zu realisieren ist. Selbstkritisch müssen wir uns die Frage stellen, ob wir in der Vergangenheit die Beratung zu sehr auf die Premium-Tarife der Anbieter ausgerichtet haben. In der Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung war es für uns immer selbstverständlich, dem Kunden das Produkt mit dem besten Bedingungswerk zu empfehlen. „Verzicht auf die abstrakte Verweisung“, „Konkretisierung der Lebensstellung in der konkreten Verweisung“, Verweisungsverzicht auch in der Nachprüfung“, „weltweiter Versicherungsschutz“, anlassabhängige und anlassunabhängige Nachversicherungsoptionen, Leistungsfalldynamik und vieles mehr sind für uns zu selbstverständlichen Beratungsinhalten geworden. Und natürlich sehen wir es positiv, wenn die weitere Ausdifferenzierung der Berufsgruppen zu niedrigeren Prämien für unsere (akademischen) Kunden geführt hat. Die Kritik an dieser Preispolitik der Versicherer, wie Sie z.B. vom Ratingunternehmen Franke und Bornberg geäußert wird, können wir aber auch sehr gut nachvollziehen. Es ist nicht gut, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung immer mehr zu einer Absicherung für wenige wird. Die Berufsunfähigkeitsversicherung sollte für alle machbar sein. Denn der unzureichende Schutz bei einem Einkommensverlust wegen Krankheit durch die gesetzliche Erwerbsminderungsrente, kann nur durch eine private Versicherung kompensiert werden. Zu dieser sollten dann aber alle Zugang haben. Natürlich sind die Anforderungen, die von seiten der Makler (auch von uns) an die Qualität der Versicherungsbedingungen gestellt werden, teilweise völlig überzogen und haben mit dem, was eine BU-Versicherung absichern sollte, manchmal nicht mehr viel zu tun. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung etwa, ist eigentlich eine Regelung, die in der Berufsunfähigkeitsversicherung nichts zu suchen hat, weil der Versicherte, wenn er eine andere Tätigkeit ausübt, eben nicht mehr BU ist. Dennoch gibt es seinen Versicherer, die HDI, der zumindest in der Erstprüfung auf die konkrete Verweisung verzichtet. Auch einige andere Regelungen in Bedingungswerken fördern eher das Sich-Ausruhen in der Berufsunfähigkeit. Regelungen, die den Versicherten im BU-Fall dazu anregen, sich zu bemühen, seine Berufsunfähigkeit aus eigener Kraft zu überwinden, findet man in den Bedingungen eher weniger und wenn, wurden sie (auch von uns) bisher als Negativ bewertet.
Vielleicht ist es unzureichend, zu unserer Entschuldigung vorzutragen, das ja auch von den Versicherungsgesellschaften mit immer neuen „Highlights“ in den Bedingungswerken geworben wurde und die Basis-BU-Tarife in manchen Vergleichsprogrammen (z.B. in der von uns genutzten Software "Levelnine BU") gar nicht mehr aufgeführt sind. Oder das es manchmal auch die Kunden sind, die durch Vorinformationen aus den Medien derart fixiert auf eine Premium-BU sind, dass die von uns aufgezeigten bezahlbaren Alternativen abgelehnt werden.
Die immer höheren Anforderungen an die Qualität der Bedingungswerke führte auch dazu, dass man aus Angst, dem Kunden nicht „das beste“ empfohlen zu haben, zur Senkung des Beitrages beispielsweise eine Karenzzeit, einen vom Standard abweichenden BU-Grad von 75 % (anstatt 50 %) oder auch eine Basis-BU mit einem nicht verkürzten Prognosezeitraum, gar nicht erst in Erwägung zog. Aber vielleicht zeigt die Entwicklung der letzten Zeit hin zu einer BU nur für wenige, dass genau diese Maßnahmen zur Senkung des Beitrages die richtige Empfehlung z.B. für einen Maurer oder einen Schlosser sind.
An Produkten, die hierfür in Frage kommen, und an Möglichkeiten der Vertragsgestaltung mangelt es dem Markt nicht. Zur Verfügung stehen zahlreiche Anbieter von Basis-BU-Tarifen, Anbieter mit Karenzzeit oder abweichender Regelung zum BU-Grad, Erwerbsunfähigkeitsversicherungen, Multi-Renten-Produkten, Grundfähigkeiten und Dread-Disease-Versicherungen. Diese Produkte sollten mehr Beachtung finden, man muss sich fortbilden und genauso intensiv mit den Bedingungen auseinandersetzen, wie man das bisher mit den Tarifen der Premium-BU getan hat. Wir arbeiten daran.
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