Die Infektionsklausel begründet einen Leistungsanspruch gegen den privaten Berufsunfähigkeitsversicherer für den Fall eines beruflichen Tätigkeitsverbots wegen einer Infektion nach dem Infektionsschutzgesetz.
§ 31 Bundesinfektionsschutzgesetz (berufliches Tätigkeitsverbot)
Dort heißt es:
"Die zuständige Behörde kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Satz 1 gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht."
Kann der Versicherte aufgrund eines solchen Tätigkeitsverbotes seinen Beruf nicht mehr ausüben, besteht regelmäßig kein Anspruch auf Leistung aus der privaten BUV, bedingungsgemäße BU liegt nicht vor.
Einige Versicher haben in den Bedingungen eine Infektionsklausel hinterlegt. Relevant ist diese besonders für Angehörige von Heilberufen, Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten, Heilpraktiker etc. Aber auch andere Berufe können von einem Tätigkeitsverbot betroffen sein. Die Klausel findet sich in unterschiedlichen Ausgestaltungen in den Bedingungen privater BU-Versicherer.
Beispiele für die Infektionsklausel
HDI-Gerling, SBU:
"Berufsunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn eine auf gesetzlichen Vorschriften oder behördlicher Anordnung beruhende Verfügung der versicherten Person verbietet, wegen einer von ihr ausgehenden Infektionsgefahr ihre hauptberufliche Tätigkeit auszuüben (vollständiges Tätigkeitsverbot) und sich dieses vollständige Tätigkeitsverbot auf einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt."
Allianz SBU:
"Vollständige Berufsunfähigkeit liegt auch vor, wenn die versicherte Person voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen infolge eines Tätigkeitsverbotes, das von der zuständigen (Gesundheits-) Behörde ausschließlich aus medizinischen Gründen nach § 31 Bundesinfektionsschutzgesetz ausgesprochen wurde und das mindestens 50% der bisherigen Berufstätigkeit betrifft, außerstande ist, ihren Beruf auszuüben und sie darüber hinaus auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. [...]"
Allianz und Gerling haben also die Infektionsklausel ohne Beschränkung auf bestimmte Berufe. Andere Versicherer beschränken die Klausel beispielsweise auf Ärzte und Studenten der Human- und Zahnmedizin.
Alte Leipziger:
"Bei Human- und Zahnmedizinern sowie bei Studenten der Human- und Zahnmedizin liegt vollständige Berufsunfähigkeit auch dann vor, wenn eine Rechtsvorschrift oder eine behördliche Anordnung dem Versicherten verbietet, wegen einer Infektionsgefahr Patienten zu behandeln (vollständiges Tätigkeitsverbot). und sich dieses vollständige Tätigkeitsverbot auf einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt. Zum Nachweis des Vorliegens eines vollständigen Tätigkeitsverbots ist uns die Verfügung im Original oder amtlich beglaubigt vorzulegen. Liegt ein solches Verbot nicht vor, wird die Ansteckungsgefahr nach objektiven Kriterien und dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt. Im Zweifel würde dazu ein Gutachten eines renommierten Hygienikers eingeholt."
Analysehaus Franke und Bornberg kritisiert Werbung der Versicherer mit der Infektionsklausel
Die Infektionsklausel wird von einigen Versicherern als "Highlight" des eigenen Produktes herausgestellt. So stellte beispielsweise die Alte Leipziger die Erweiterung der Infektionsklausel auch für Studenten der Human- und Zahnmedizin durch eine Bedingungsänderung in 2012 als besonderes Merkmal heraus.
Kritik an einer "zweifelhaften Vorteilsagumentation" kommt vom Analyseunternehmen "Franke und Bornberg". Verbraucher sollten skeptisch sein, wenn als Argument für eine Produktempfehlung genannt wird, eine „Infektionsklausel“ brächte erhebliche Vorteile, so Franke und Bornberg ("Preiskampf der BU-Versicherer bringt Nachteile für Verbraucher", Franke Bornberg im Mai 2012).
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Auf unsere Nachfrage bei "Franke und Bornberg" wurde uns hierzu erläutert, dass es seit Einführung der Infektionsklausel in der privaten Berufsunfähigkeitsversichererung keinen einzigen nachgewiesen Leistungsfall gegeben hat, bei dem die Infektionsklausel zur Anwendung gekommen ist.
Ist die Infektionsklausel deshalb überflüssig?
Der Kritik von Franke Bornberg können wir teilweise zustimmen. Wenn die Infektionsklausel als unverzichtbarer Leistungsinhalt oder das "ganz besondere Highlight" einer BUV bezeichnet wird, sollte man tatsächlich skeptisch werden. Ein gutes Kriterium macht noch kein gutes Bedingungswerk aus.
Die praktische Bedeutung der Infektionsklausel zeigt sich aber schon dadurch, dass jedenfalls Fälle denkbar sind, in denen ein berufliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde, welches ohne Infektionsklausel in den Bedingungen nicht zur Feststellung bedingsgemäßer Berufsunfähigkeit führen würde, mit Infektionsklausel aber schon. Auch wenn die Fallzahlen von beruflichen Tätigkeitsverboten relativ gering sind, gibt es solche Tätigkeitsverbote. In einem Fall, den das Verwaltungsgericht Berlin zu entscheiden hatte, klagte ein Zahnarzt gegen ein gegen ihn verhängtes eingeschränktes Tätigkeitsverbot. Die nach Infektionsschutzgesetz zuständige Behörde hatte ihm aufgrund einer Hepatits C- Infektion bis auf weiteres "jegliche invasive Tätigkeit in der Mundhöhle von Patienten" nach § 28i.V.m. § 31 Infektionsschutzgesetz verboten. (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 5.9.2002, Az. 14 A 66.02).
Die Condor-Versicherung führt den folgenden Leistungsfall in einem Werbeprospekt an:
"Bei Dr. Arno L. ist im März 2009 eine HIV-Infektion festgestellt worden, die er sich vermutlich bei der Behandlung eines infizierten Patienten zugezogen hat. Obwohl die Aids-Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist, ist es Dr. Arno L. aufgrund des Infektionsschutzgesetzes nicht mehr erlaubt, seine Praxis für Innere Medizin weiter zu betreiben. [...] Dr. Arno L. erhält von Condor seit März 2009 seine BU-Rente in Höhe von 1.500 Euro. Zusätzlich übernimmt Condor die Beiträge für seine Altersvorsorge von jährlich 2.400 Euro."
Ob dieser Fall des Dr. Arno L. den Tatsachen enspricht, also ein von der Condor tatsächlich anerkannter Leistungsfall ist oder ob es sich um einen für den Werbeprospekt fingierten Versicherungsfall handelt, wissen wir nicht. Realistisch ist dieser Fall aber. Ein Versicherer ohne Infektionsklausel würde bei einem Tätigkeitsverbot gegen einen Arzt aufgrund einer HIV-Infektion nämlich nicht zahlen, weil bedingungsgemäße BU nicht vorliegt.
Versicherungsgesellschaften mit Infektionsklausel für Human/Zahnmediziner:
Allianz, Alte Leipziger, Barmenia, Condor, Continentale, DÄV, Dialog, EUROPA, Generali, Gothaer, Hanse Merkur, HDI-Gerling, LV 1871, Münchener Verein (auch für Tierärzte, Apotheker und Psychotherapeuten), Neue BBV, Stuttgarter, SwissLife, Volkswohlbund, WWK.
Versicherungsgesellschaften mit Infektionsklausel für alle Berufe:
Condor, Continentale, EUROPA, HDI-Gerling, LV 1871
Versicherungsgesellschaften mit Infektionsklausel, die auch Teiltätigkeitsverbote berücksichtigt
Allianz, Barmenia
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